Sind Roboter die besseren Menschen?

Menschen sind kuriose Gestalten. Sie bestehen im Durchschnitt aus 0.5 Kubikmeter fleischiger Materie, aufgehängt an einem Gerippe aus über 200 Knochen. Eingewickelt wird die Biomasse von einer ledrigen Schicht, die sich selbstbewusst für das grösste Organ des Menschen hält. Dieses lebende Gesamtkunstwerk wird bevölkert von rund einer Billiarde Mikroorganismen und ist das Gegenteil eines »Perpetuum mobile«. Gierig verlangt das Leben unnachgiebig nach Energie, Pflege, Fortpflanzung und Überlebenskampf.

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Humanoider Roboter steht im Wasser und betrachtet sein Spiegelbild.

Aus einem anderen Holz geschnitzt

Schauen wir uns nun die Ebenbilder aus Metall, Drähten & Schaltkreisen an. Falls wir die Roboter nachäffen, gleicht das Aussehen selbstredend dem Menschen. Ziel ist oft eine möglichst akkurate Illusion des »Homo sapiens«. Doch spätestens beim Material geht die künstliche Evolution einen anderen Weg. Statt Blutkörperchen, die durch Venen schiessen und Sauerstoff zu Organen und Geweben transportieren, fliesst der Strom durch ummantelte Drähte zu Motoren und Akkus. Streng genommen nutzen Roboter die gleiche Energiequelle wie wir Menschen; die Sonne. Dank Verdauungstrakt extrahieren wir die in Lebewesen & Pflanzen gespeicherte Energie in Form von Nährstoffen & Kohlenhydraten. Der Roboter benötigt keinen organischen Zwischenwirt und schlägt sich am elektrischen Strom gefüllter Elektronen den Wanst voll. Und statt permanenter Zellerneuerung werden Einzelteile rigoros repariert und ausgetauscht.

Soweit so bekannt. Doch wie entwickeln sich Roboter nebst der Beschaffenheit weiter? Werden sie moralisch und ethisch besser abschneiden als der Mensch? Die Antwort auf diese Frage scheint schwierig. Ich greife zu einem Taschenspielertrick und formuliere die Frage etwas um: Können Roboter grausamer sein als Menschen? Saloppe Antwort: Nein. Womöglich quantitativ, aber nicht in der Intensität der Grausamkeit des Gräuels selbst. Es steht ein schier unendlicher Fundus an Beweisen für diese These zur Verfügung. Alleine das finstere Mittelalter und die in menschlichen Gehirnen erdachten Foltermethoden, dürften als Argument ausreichen. Hinzu kommt der grenzenlose Horror zu Kriegszeiten, all die abscheulichen Experimente und das unaussprechliche Leid, dass nie an die Oberfläche schwappte und einzig vom Teufel in der Hölle gesühnt wird. Nebst direkter Gewaltanwendung gibt es die Perversion von abartigen Entscheidungen, die indirekt zu unermesslichem Elend & Tod führten. Hungerkrisen, Migrationstragödien, Ausbeutung von Natur, Mensch & Tier, Menschenhandel, Versklavung – um nur einen Bruchteil zu nennen.

Somit ist für mich erwiesen, dass Roboter zumindest nicht verdorbener als Menschen sein werden. Im Zweifel sogar besser. Schwierig ist die Frage zudem, da der Mensch als Schöpfer gewisse Attribute »vererbt« oder nachzubilden versucht, die menschlichen Charakteristiken gleichen. Somit ist es gut möglich, dass Roboter und Künstliche Intelligenzen schnippisch gesagt, die ganze Farbpalette des Menschen abbilden werden.

In der »Natur« angelegt?

Bevor ich weiter auf die entsetzlichen Züge von Menschen einschlage, sei zum Schutz der gesamten Spezies gesagt, dass die Tierwelt ebenso schaurige Gräueltaten kennt. Ich rede da von Parasiten, die lebende Tiere von innen zerfressen, Hirne fremdsteuern, Kannibalismus, spielerisches Quälen von Beutetieren usw. Wiederum sind Tiere, soweit wir wissen, nicht mit einem höheren kognitiven Bewusstseinsapparat ausgestattet, der zu einem gewissen Grad über den Trieben, Instinkten und Effektreaktionen steht. Ähnliches gilt für Roboter, die sich barbarisch verhalten werden, sei es für den Krieg »gezüchtet« oder durch Fehlfunktionen ausgelöst. Solange Roboter nicht empfänglich sind für echte Empathie & Moral, gelten andere Massstäbe. Wobei es auch bei Menschen Randerscheinungen von kaltherzigen Monstern gibt, die zur Empathie unfähig sind und fehlgeleitete Lust durch Gewaltausübung empfinden. Im Strafrecht wird dieser Umstand mit psychologischen Gutachten und differenzierter Rechtssprechung Sorge getragen.

Geistige und körperliche Vermischung

Eine weitere abenteuerliche Stufe ist die Symbiose aus Mensch und Roboter; der »Cyborg«. Wie im Genre »Cyberpunk« umfangreich illustriert, sind die wildesten Zusammensetzungen aus lebender und toter Materie möglich. Ethisch dramatisch wird es, wenn ein »KI-Gehirn« in den Körper eines kürzlich verstorbenen Menschen transplantiert wird. Ist das weiterhin ein Mensch? Nein, werden vermutlich die meisten urteilen. Und umgekehrt? Ein menschliches Gehirn in einem stählernen Körper? Womöglich ja, da die beseelende Essenz, sollte sie existieren, mit dem Gehirn verdrahtet zu sein scheint.

Vielleicht müssen wir uns dem berühmten »Schiff des Theseus« nähern. Wenn an einem Schiff nach und nach die Einzelteile ausgetauscht werden, bis eines Tages das gesamte Schiff erneuert wurde, ist es dann weiterhin das gleiche Schiff? Faszinierend wenn man bedenkt, dass sich viele Zellen des menschlichen Körpers fast unaufhörlich erneuern, sodass der Mensch alle zehn Jahre über ein vollständig erneuertes Skelett verfügt. Trotzdem würde niemand behaupten, dass deshalb ein Mensch in sieben oder zehn Jahren eine andere Person sei. Obwohl das zu einem gewissen Grad sogar stimmt. Doch Identität umfasst vieles mehr, als nur die fleischgewordene Masse, deren Alter oder Zusammensetzung.

Ironischerweise könnte es eine Antwort der »Natur« sein. Wir sollen uns mit Robotern vereinen und dadurch weniger Menschen in die Welt setzen. Das würde dem Raubbau an Mutter Erde etwas Einhalt gebieten. Dieser Gedanke führt gleich zur Frage, ob mehr Roboter die Ausbeutung des Planeten fördern. Da liegt die Antwort auf dem Fusse, wie umweltverträglich die Roboter zusammengelötet werden und ob durch die stählernen Venen erneuerbare Energie fliessen wird. Falls dieser enorme Strombedarf erneuerbar gedeckt werden kann, dann hat dies sicherlich Vorteile, im Gegensatz zu einem Materie verspeisenden Geschöpf wie dem Menschen. 

Die Illusion als Teil der Wirklichkeit

Ich bin überzeugt, dass die Kraft der Illusion uns manche Fragen erleichtern wird. Gemessen an den Jahren, die Primaten auf diesem Planeten wandeln, und welcher Fortschritt in den letzten 300 Jahren erreicht wurde, wird das quasi morgen schon der Fall sein. Solange wir uns auf der Erde halten können und der technische Fortschritt ungestüm voranschreitet, wird die Grenze des erkennbaren Unterschieds zwischen lebender & toter Materie in Akzeptanz & Annahme verschwimmen. Roboter werden wie bei »Blade Runner« die Menschen nahezu perfekt simulieren. Die absolute Perfektion ist nicht einmal notwendig. Selbst wenn nur ein gewisses Level erreicht wird, welche die Akzeptanz der Menschen triggert, ist die Wende geschafft. Roboter werden von vielen Menschen im Leben & Herzen einen Platz einnehmen, wie es heute liebende und umsorgende Menschen tun. Züge von dieser Tendenz sind schon gegenwärtig sichtbar. Die Hochzeit eines Menschen mit einem künstlichen Hologramm hat in Japan längst stattgefunden, selbst wenn dies rechtlich derzeit nicht anerkannt ist. Ebenso pflegen viele Menschen eine enge Bindung zu Tieren, die genauso beseelt scheinen, aber dennoch keine Menschen sind. Manche Leser vermögen sich zu erinnern, wie herzlich sie als Kind ein Spielzeug oder Kuscheltier liebten und es für nichts auf der Welt hergeben wollten. Dieser Bindungsdrang ist in uns veranlagt und kann auf mehr als nur Artgenossen projiziert werden.

Das »Orakel von Delphi« schreit stumm

Dieser Fortschritt umgibt viele ethische, politische und gesellschaftliche Minenfelder, die mit hoher Wahrscheinlichkeit heftig explodieren werden, sobald ein weiterer Meilenstein in die beschriebene Richtung erreicht wird. Wie immer wird es konservativen Widerstand geben und grosse Umwälzungen, Veränderungen und Kämpfe nach sich ziehen. Wir sehen das in Grundzügen bei der Diskussion um Künstliche Intelligenz. 

Liebe Leser, falls beim Lesen dieses Textes der Gedanke hochkroch, was das alles für ein »Science-Fiction-Schwachsinn« ist, kann ich es Ihnen nicht verübeln. Womöglich wird das nie so eintreten, oder in einer gänzlich anderen Form. Dennoch scheint die Möglichkeit kräftig und hell. Ich wünschte mir eine grössere Sensibilisierung und Auseinandersetzung mit solchen Themen, die in der Zukunft mit den Füssen strampelnd auf uns warten. Vorbereitung und das Antizipieren der Zukunft ist grundsätzlich eine Fähigkeit des Menschen. Dennoch neige ich hier eher zum Pessimismus. Viele dieser technischen Veränderungen werden uns eiskalt erwischen, überfahren und grosse Opfer fordern. Da wir absehbare Themen zu spät angehen oder gar bis »fünf nach zwölf« ignorieren. Ob und wie ausgeprägt die Roboter den Menschen hinterher humpeln werden, entscheidet sich mitunter darin, ob sie sich untereinander ebenso zerstreiten und aufspalten. Streit bremst, ist kostenintensiv und katapultiert rückwärts. Man stelle sich vor, die Menschen wären friedlicher zueinander und in wichtigen Fragen gleicher Meinung. Was dann Grossartiges entstehen würde. Vermutlich zu schön, um wahr zu sein, selbst in einer illusorischen Welt.

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Chris Casutt

RealizationZone, Geschäftsführer

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