Die paradoxe Kuh bellt miau

Trübsal blasen ist untertrieben. Ein Orkan der höchsten Stufe schleuderte Trübsal wie Trümmerteile durch das ganze Zugabteil und hinterliess eine Spur der Verwüstung. Tief gepflügte, hängende Mundwinkel und glasige Augen, die wie Staumauern die unterdrückten Wünsche gefangen hielten. Selbst der schäbigste Kartoffelsack würde mehr Elan versprühen und mit einer besseren Körperhaltung glänzen. Wer Manns genug ist, sich das tägliche Massaker an der Lebensfreude mitanzusehen, sollte sich in einen morgendlichen Pendlerzug setzen.

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Viele Personen stehen auf langen Rolltreppen auf dem Weg in eine tief gelegene U-Bahn-Station.

Der Kosmos ist grösser und kleiner zugleich

Natürlich darf man keine Fiesta Mexicana mit freudigen Revolverschüssen und frivolen Ausschreitungen erwarten. Doch die Atmosphäre eines Tiertransporters der ins Schlachthaus fährt, ist ebenfalls etwas extrem. Die Gründe dafür sind vielfältig und wohl jedem bekannt. Doch im Gegensatz zu anderen Tagen, hatte ich den gesamten Kosmos vor Augen, während die Schlachtkühe auf ihren eigenen Zwergplaneten hockten, wie ich dem unglücklichen Muhen untereinander entnehmen konnte.  

Die Menschheit hatte erst kürzlich eine Raumsonde auf einem Kometen geparkt, eine andere Sonde nimmt sich gerade den Planeten Pluto zur Brust und eine weitere Sonde ist bereits seit 1977 unterwegs und sendet immer noch Daten zur Erde. Am CERN in Genf wurde das World Wide Web geboren und vor kurzem das lang ersehnte Higgs-Gottesteilchen gefunden. Hinzu kommen all die unglaublichen Phänomene der Quantenmechanik, die diese limitierten Zeilen samt Verstand endgültig pulverisieren könnte. 

Na wennschon, dann dennschon

So paradox die Quantenmechanik auch sein kann, mein Erstaunen darüber, wie viel Unzufriedenheit in so wenig Kubikzentimeter Gesicht passt, war weitaus grösser. Dazu müssten eigentlich alle Kriege und jedes Elend auf die kompakte Masse eines Schwarzen Loches gepresst werden. Zumindest gedanklich wäre das vielleicht sogar möglich. Auch wenn der Gedankenfluss des Schlachtviehs viel zu schnell im eigenen Meer der Tränen versickert. Denn würde man sich tatsächlich all dem Elend annehmen, so wäre der Grossteil der Kühe im Pendlerzug wieder optimistischer, da sie im Gegensatz zum wirklichen Grauen, geradezu im Paradies leben. Doch wie soll das die einzelne Kuh wissen, wenn sie bloss auf ihrer eigenen Weide unzufrieden vor sich hin grast?

Dieser Artikel wurde am 27.07.2015 in folgenden Zeitungen publiziert:   
Südostschweiz Graubünden, Südostschweiz Glarus, Südostschweiz Gaster/See sowie Sarganserländer.

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Chris Casutt

RealizationZone, Geschäftsführer

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